SDG Blog #3 – GESUNDHEIT

SDG Blog #3 – GESUNDHEIT

Über was man sich bei „Gesundheit und Wohlergehen“ nicht alles aufregen könnte: Corona, Zivilisationskrankheiten, Arbeitsschutz in unseren globalen Lieferketten … Was mich gerade umtreibt: Einsamkeit. Wusstet ihr, dass es in England jetzt ein Ministerium für bzw. gegen Einsamkeit gibt? Und auch in Deutschland nehmen die Gesundheitsministerien der Bundesländer dieses Phänomen gerade genauer unter die Lupe. Was meinen wir mit Einsamkeit, was hat sie mit Gesundheit zu tun, und warum ist das jetzt so ein Thema?

Von Einsamkeit spricht man, wenn es einen Unterschied gibt zwischen den Beziehungen, die man sich wünscht, und denen, die man tatsächlich hat. Einsamkeit ist ein Gemütszustand, der sich auf die psychische und körperliche Gesundheit von Menschen auswirkt. Die Erfahrung und das Gefühl, nicht gesehen zu werden so wie man ist, erhöht das Risiko für Depressionen und Angststörungen, für Suchtmittelkonsum und für Herz-Kreislauferkrankungen. Der Mensch braucht zuträgliche Beziehungen wie die Luft zum Atmen. Fehlen sie, geht der Halt im Leben verloren.

Unsere Gesellschaft und unser Arbeitsleben befördern Einsamkeit. Oft müssen wir mobil sein, um eine Arbeit zu finden, die unserer Ausbildung entspricht. Wir ziehen weg, Familien lösen sich auf. Laut Statistischem Bundesamt könnte 2040 jeder zweite Haushalt von nur einer Person bewohnt werden. Dazu kommt unser Streben nach Individualität und Unabhängigkeit. Wir haben heute unfassbar viele Wahlmöglichkeiten, welchen Beruf wir erlernen und wo wir leben möchten, wie wir unsere Freizeit verbringen und mit wem, was wir essen und woran wir glauben. Viele Optionen zu haben ist toll, aber es führt auch zu Überforderung und Orientierungslosigkeit. Auch viele Menschen am Rand der Gesellschaft sind einsam. Sie sind „abgehängt“, etwa weil sie sich minderwertig fühlen oder weil ihnen die digitalen Kompetenzen fehlen, um über moderne Medien mit Gleichgesinnten in Austausch zu kommen. Und da reden wir nicht nur von alten Menschen. In der Pandemie ist klar geworden, dass nicht jedes Kind ein eigenes Laptop hat und dass nicht jeder Haushalt über einen Internet-Zugang verfügt. Soziale Medien können gegen Alleine-sein helfen, aber nicht automatisch gegen Einsamkeit. Jugendliche geben an, dass sie sich zwar viel über soziale Medien austauschen, aber sie sprechen selten über Probleme – aus Angst als Freunde ausgetauscht zu werden. In dieser Ersatzwelt gibt’s „Likes“ nur für gutes Aussehen und gute Laune. Wut, Trauer und Zweifel, die auch zum Leben gehören, haben hier wenig Platz.

Ich finde diese Tendenz der Vereinzelung gefährlich. Denn sie macht nicht nur Menschen krank, sondern stellt auch die Idee des Gemeinwohls in Frage. Sich für andere zu engagieren, z.B. durch ein Ehrenamt, ist ein möglicher Weg aus der Einsamkeit, die weder ein Makel, noch ein unveränderliches Schicksal ist. Schreibt im Kommentar-Feld hier unten eure Ideen, Erfahrungen und Empfehlungen wie man aus der Isolation rauskommen kann. Ich bin gespannt. – Eure Astrid

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Kerstin

    Liebe Astrid,
    vielen Dank für deine wertvollen Beiträge zu den wohl wichtigsten Themen der (Um)Welt und unserer globalen Gesellschaft.
    Alle Beitäge regen zum Nachdenken und auch Umdenken an. Wenn ich deinen Beitrag in diesem Blog zunächst auf Deutschland beziehe, so tragen sicherlich auch veränderte Haushalts- und Familienstrukturen einen großen Teil zur Problematik bei. Wir zählen immer mehr Single-Haushalte – die typische Großfamilie, die von Uroma bis Urenkel alle unter einem Dach wohnten ist mehr oder weniger Geschichte. Mitbürger mit Migrationshintergrund leben hierzulande wie im Herkunftsland gewohnt eher noch in einem Großfamilienhauhalt. Möglicherweise hat dieses kulturelle Hintergründe. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass in Großhaushalten das Thema Vereinsamung weniger relevant ist.
    Der Problematik der Single-Haushalte (insbesondere auch der älteren Generation) wurde schon vor Jahren begegnet, durch spezielle Wohnkonzepte. Diese können gut funktionieren, müssen aber nicht gut funktionieren. Hier kommt es auf das Individuum Mensch an. Manche Menschen sind Einzelgänger und fühlen sich wohl alleine, andere Menschen fühlen sich nur in Gesellschaft wohl und diejenigen, die eine Bühne brauchen, fühlen sich nur in einer großen Gesellschaft wohl.
    Schwierig wird es, wenn Menschen sich nicht trauen, Kontakt zu suchen oder aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt sind. Diese Menschen brauchen eine besondere Ansprache und Zuwendung, einen „Kümmerer“.
    Leider steht dem entgegen, dass der Egoismus in unserer Gesellschaft zugenommen hat; Verlust von Respekt und Achtung ist – fossiert durch die sozialen Netzwerke – zur Realität oder eher einer neuen Normalität geworden.
    Wir haben tatsächlich viele gesellschaftliche Probleme, die auch einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit nehmen.
    Psychologen haben derzeit Hochkonjunktur – ein Indiez dafür, dass die Menschen überfordert sind (werden)?
    Wir verbuchen eine Halbwertzeit des Wissens in einer schnelllebigen Gesellschaft. Ja, einige fühlen sich abgehängt, andere flüchten und wieder andere stellen sich den Herausforderungen. Ein Gemeinwohl bzw. Gemeinschaftssinn funktioniert aus meiner Sicht nur mit einer starken Führung und ein Aufbrechen von festgefahrenen gesellschaftlichen Strukturen. Bereits auf kommunaler Ebene ein Dilemma – zuviele Abstimmungsprozesse, Interessenskonflikte etc.! Wenn die Menschen in der Gsellschaft mehr Verantwortung übernehmen müssten und bei der gesellschaftlichen Zukunftsgestaltung mitentscheiden könnten, wäre meines Erachtens ein großer Schritt in Richtung Gemeinwohl getan. Wieso kann z. B. die Pflege älterer hilfsbedürftiger Menschen nicht mehr in der Verantwortung der Kommune liegen? Kennst du noch die „Gemeindeschwestern“? Die waren bekannt, hatten Zeit und unterstützen, wo es angebracht war. Die Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen ist nämlich ein weiteres großes Problem. Gesundheit = Wirtschaftsfaktor – da gibt es leider zu viele negative Effekte. Natürlich kann jeder Einzelne bereits jetzt einen Teil zum Gemeinwohl beitragen, aber m. E. braucht es zunächst wieder einen vernünftigen Rahmen. Wenn der Einzelne sich unfreiwillig in Isolation befindet, braucht es zusammenfassend einen „Kümmerer“. Und für den „Kümmerer“ braucht es geeignete Rahmenbedingungen und ein gesellschafltiches Umdenken. Stichwort: sei Veränderung 😉

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