SDG Blog #8 – WIRTSCHAFTS WACHSTUM

SDG Blog #8 – WIRTSCHAFTS WACHSTUM

Kennt ihr die Bienenfabel? Bernard Mandeville, ein englischer Arzt, hat sie im 18. Jahrhundert geschrieben. In seinem Text zeigt Mandeville anhand eines Bienenstaats zum ersten Mal einen Zusammenhang zwischen dem Streben einer gesellschaftlichen Oberschicht nach immer mehr Gütern und Dienstleistungen einerseits und dem Gemeinwohl andererseits. Mandeville sagt in der Bienenfabel, dass es gut ist, wenn Neid, Gier, Wettbewerb, Langeweile oder durch Werbung eingeredete Bedürfnisse das Konsumverhalten der Leute, die Geld haben, anheizen. Dadurch brummt die Wirtschaft, und die Gesellschaft hat genügend Mittel, auch den Schwachen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Ich habe die Bienenfabel wiederentdeckt, nachdem im Wahlkampf der letzten Wochen immer wieder darüber gesprochen wurde, wie wir jetzt aus der Corona-Krise „herauswachsen“ müssen, bzw. wie unsere Wirtschaft jetzt „entfesselt“ werden soll. Ohne Zweifel müssen die Güter, die wir brauchen, um Investitionen zu tätigen und unseren Sozialstaat zu unterhalten, erstmal erwirtschaftet werden. In Deutschland ist ein stetiges Wirtschaftswachstum sogar Teil des Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967. Auch der Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union hat das Ziel, Wirtschaftswachstum explizit zu fördern.

Aber Wirtschaftswachstum hat auch ein Problem: Es war bisher immer mit dem Verbrauch natürlicher Ressourcen verbunden, reitet uns also noch tiefer rein in die Klima- und Umwelt-Krise. Zwei mögliche Auswege werden derzeit diskutiert, erforscht und ausprobiert:

„Green Deal“: Die Idee ist eine Entkopplung von Wachstum und der Nutzung natürlicher Ressourcen. Dies soll erreicht werden durch (1) eine Wachstums-Verlagerung vom industriellen Sektor in den Dienstleistungs- und Informationsbereich, (2) den Ersatz von erschöpflichen Rohstoffen und Energieträgern wie Erdöl durch erneuerbare Energien, (3) technischen Fortschritt, z.B. innovative neue Produkte

„Post-Wachstum“: Aufgrund der planetaren Grenzen (Endlichkeit und eingeschränkte Regenerationsfähigkeit natürlicher Ressourcen) ist eine Verringerung des Wachstums bis hin zu einer stationären Wirtschaft nötig. Voraussetzung sind (1) innovative Geschäftsmodelle, die bereits geförderte natürliche Ressourcen im Nutzungskreislauf halten, (2) ein kultureller Wandel hin zu einem maßvollen Leben und Konsumverhalten, (3) Vollbeschäftigung durch verringerte Wochenarbeitszeit und mehr Selbstversorgung.

Mal ehrlich: Ich kenne kein einziges Beispiel für eine wirtschaftliche Transaktion, die nicht mit „Weltverbrauch“ einhergeht. Auch Wirtschaftswachstum muss deshalb Grenzen haben. In den Industrieländern sind wir bereits über das Ziel hinausgeschossen: In Deutschland verzeichnen wir beispielsweise einen durchschnittlichen CO2 Fußabdruck von 12 Tonnen pro Kopf und Jahr. Dabei stehen uns in einer gerechten Welt nur 1 bis 2 Tonnen zu! Damit arme Volkswirtschaften wachsen und das ihnen zustehende CO2 Budget ausschöpfen können, müssen wir langfristig bis zu 10 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr „freigeben“. Das geht nur mit der Umsetzung von Green Deal- und von Post-Wachstums-Ideen, also mit technischem und gesellschaftlichem Fortschritt gleichermaßen.

Drei Fragen möchte ich im Zusammenhang mit diesem SDG#8 zur Diskussion stellen und bin gespannt auf eure Ideen und Gedanken:

  1. Wie finanzieren wir den Sozialstaat, wenn das Wirtschaftswachstum begrenzt ist?
  2. Was ist menschenwürdige Arbeit für euch?
  3. Aktuell messen wir den Wohlstand einer Volkswirtschaft anhand des Bruttoinlandsprodukts, also anhand des Wirtschaftswachstums. Ist das noch die richtige Messgröße (denn es ignoriert die Einkommensverteilung, Familienarbeit, Umweltbelastungen, u.s.w.) und was wären Alternativen?

Eure Astrid

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Steffi

    Kann wirtschaftliches Wachstum vom Ressourcen-Verbraucht entkoppelt werden? Die einen träumen schon vom grünen Wirtschaftswunder, die anderen fordern eine radikale Veränderung unserer Lebensweise und Abschaffung unseres kapitalistischen Systems. Ich stimme zu, dass die Wahrheit wohl dazwischen liegt und dass wir sowohl den technischen Fortschritt als auch den kulturellen Fortschritt brauchen. Vor allen Dingen aber brauchen wir Antworten auf die Frage wie wir eigentlich leben wollen. Es gibt so vieles, das wir gar nicht brauchen, z.B. Mangos aus Peru.

  2. Frank

    Apropos „es gibt vieles, das wir gar nicht brauchen“, ich habe neulich von einer Studie gelesen, in der man Haushalte aufgefordert hat, alle ihre Gegenstände zu zählen. Die befragten Haushalte haben durchschnittlich 10 000 Gegenstände. Als nächstes wurden sie gefragt, wie viele dieser Gegenstände sie nutzen. Das waren nur 5 000. Das heißt, wir könnten unseren Konsum halbieren, ohne einen wirklichen Verlust von Lebensqualität. Das heißt doch was.

  3. Paul

    Der Klimaforscher Hand-Joachim Schellnhuber sagt: Die Klimakrise ist ein Spiegel. Sie zeigt uns unser Gesicht. Es ist das Gesicht einer entgleisten Moderne.“ Mit OMEGA Phase, also Endzeit-Phase, bezeichnet Schellnhuber diejenige Zeit, in der Unternehmen mit größter Anstrengung nur noch mehr von dem machen was sie schon immer getan haben, am besten noch Spar-Programme oben draufsetzen, anstatt mit Anstand und Weitblick ihre Umkehr zu planen, weil ihre Produkte unter Druck und ihre Geschäftsmodelle ins Wanken geraten.

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