SDG Blog #7 – SAUBERE ENERGIE

SDG Blog #7 – SAUBERE ENERGIE

Email von Herrn Spengler (Name geändert): „Sehr geehrte Frau Jung, ich hoffe, es geht Ihnen gut. Sind Sie noch im Homeoffice? Wir haben ein tolles i3 Leasing Angebot. Wenn Sie Interesse haben, melden Sie sich jederzeit gerne, und wir stellen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösung zusammen. …..“. Herr Spengler weiß nicht, dass ich mein Auto kurz vor der Pandemie verkauft habe, um ein Auto-frei Leben auszuprobieren. Trotzdem habe ich ihn vor zwei Jahren gebeten, sich immer mal wieder zu melden, wenn es etwas Neues gibt. In Wahrheit unterhalte ich mich gerne mit ihm über alternative Antriebe, insbesondere über Brennstoffzellen und Wasserstoff. Denn er vertritt eine Automarke, die noch ernsthaft technologie-offen ist und nicht gerade alles auf die Batterie-Karte setzt. Im Übrigen bin ich überzeugt, dass Wasserstoff-Mobilität sauberer ist als Elektromobilität. Jetzt wo ich das schreibe, komme ich ins Grübeln. Woher nehme ich diese Überzeugung? Hat sie damit zu tun, dass die Wasserstoff-Technologien futuristisch daherkommen, dass Wasserstoff energetische Unabhängigkeit verspricht (ich bin ein freiheitsliebender Mensch …), dass die europäische Wasserstoff-Wirtschaft von einer überwältigenden Aufbruchstimmung umgeben ist, dass ich im Fall der Elektromobilität bolivianische Lithium-Mienen und Kinderarbeit vor Augen habe? Wahrscheinlich alles zusammen. Und damit scheitere ich grandios an meinen eigenen Prinzipien, nämlich niemals Gefühle und Halbwahrheiten über die Fakten zu stellen. Gehen wir der Sache also auf den Grund. Was ist „saubere Energie“? Energie ist umso sauberer, je mehr sie aus erneuerbaren Quellen stammt (Wind, Sonne, Wasser). Tatsächlich aber gibt es eine ganze Menge Zwischentöne. Und es lohnt sich, genauer hinzusehen.

Wasserstoff ist dann sauber / grün, wenn die gesamte Energie zur Herstellung des Wasserstoffs (Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff) aus Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft kommt. Wasserstoff kann auch aus Erdgas hergestellt werden. Auch wenn die Energie dafür aus erneuerbaren Quellen kommt, ist dieser Wasserstoff nicht grün. Denn Erdgas gilt als fossil / nicht erneuerbar, und in dem Prozess entsteht außerdem molekularer Kohlenstoff, der irgendwo hinmuss. Man spricht dann von türkisem statt grünem Wasserstoff.  

Wie ist es beim Strom? Strom ist dann sauber, wenn er vollständig aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Eigentlich logisch. Doch das ist nicht bei jedem Stromanbieter, der „Ökostrom“ anbietet, der Fall. Der Grund ist der Handel mit sogenannten RECS-Zertifikaten. RECS steht für Renewable Energy Certificate System (Erneuerbare Energie Zertifikate System). Diese Zertifikate funktionieren wie Ablassbriefe, mit denen sich Anbieter „reinwaschen“ können. Ein Beispiel: Der Stromanbieter eines deutschen Nachbarstaats produziert sauberen Strom aus Sonnenenergie. Dafür erhält er RECS-Zertifikate, die er an einen deutschen Stromanbieter verkauft. Die RECS-Zertifikate ermöglichen es dem deutschen Stromanbieter nun, am Markt Ökostrom anzubieten, obwohl er selbst vielleicht gar keine eigenen Ökostromanlagen betreibt. Erst wenn der von den Kunden nachgefragte Anteil an Ökostrom insgesamt signifikant steigt, erreichen die RECS-Zertifikate Preise, die den Ausbau erneuerbarer Energien anreizen.

Wasserstoff- und Elektromobilität können also beide sauber sein, nämlich dann wenn die Energie zur Herstellung von Wasserstoff bzw. die Elektrizität vollständig aus erneuerbaren Quellen stammt. Das Wettrennen entscheidet sich wohl auf der Ebene der eingesetzten Technologien und deren Auswirkungen auf Klima, Mensch und Umwelt. Die sauberste Energie ist übrigens die Energie, die man nicht verbraucht. Das Auto-freie Leben klappt ganz gut und ich bin noch nicht rückfällig geworden. Aber nur, weil mich die Menschen in meinem Umfeld unterstützen und im Notfall (Großeinkauf, Wolkenbruch, …) einspringen. – Eure Astrid mit einem Video-Tipp: Gute Nachrichten vom Planeten: Saubere Energie | Doku | ARTE – YouTube

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Jochen Wenz

    Liebe Astrid,
    eine sehr spannende Abhandlung zur Energie.
    Mir ist die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungsketten wichtig. Energie muss über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg „sauber“ sein. Da frage ich mich z.B.: Wie sieht es aus mit der Recycle-Fähigkeit von Solarzellen, Rotorblättern oder Batterie-Elektroden?
    Ansonsten glaube ich, dass wir als Einzelpersonen im Moment mehr erreichen, wenn wir uns überlegen, wo wir Energie sparen können im Sinne von „die sauberste Energie ist übrigens die Energie, die man nicht verbraucht“. Standby Geräte, Licht ausmachen.. das sind kleine Dinge, aber multipliziert mit 80 Mio BürgerInnen auch ein guter Start.
    Schönen Gruß
    Jochen

    1. Johannes

      Hallo Jochen,
      mit Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette hast du einen sehr wichtigen Punkt getroffen, und wenn ich dich richtig verstehe, möchtest du Energie als das „Endprodukt“ sehen. Unabhängig davon, wie man „sauber“ genau definieren würde, ist in meinen Augen nie die „Energie“ (sei es thermisch, elektrisch, kinetisch) sauber, sondern die Prozesse, welche zur „Nutzbarmachung“ der Energie führen. Und anschließend die Nutzung der gewonnenen Energie.
      Ich bin kein ausgewiesener Experte für Recycling im allgemeinen, und auch nicht für Windkraftanlagen und Batterien im Besonderen, aber ich denke zu Solarzellen kann ich etwas beisteuern:
      Zunächst muss man bedenken, dass es verschiedenste Konzepte gibt, die sich doch sehr deutlich unterscheiden. Es macht eben sowohl für die Betrachtung der Produktionsprozesse einen Unterschied, ob man Solarzellen auf Basis von Silicium oder von Cadmiumtellurid zu einem Panel verschaltet. Und selbst bei Beschränkung auf Silicium-basierte PV gibt es noch viele Unterschiede. Aber: Mindestens für Silicium PV gibt es auch deutsche Recycling-Anbieter (z.B. die LuxChemtech GmbH) und ich denke, dass wird auch in den nächsten Jahren ein zunehmend wichtiger Prozess werden. Wie bei der Produktion der Module wird aber vermutlich auch für das Recycling ein gewisser Aufwand betrieben werden müssen, damit es „sauber“ ist und bleibt…

      Den Gedanken, viel zu erreichen, Energie zu sparen, indem man Energieverschwendung reduziert, möchte ich abschließend noch unterstreichen. Da gehört für mich auch noch dazu, Effizienz-Vorteile auch zu nutzen; also den „Rebound-Effekt“ zu vermeiden. Schön wäre es natürlich auch, wenn die Einzelpersonen ähnliche Denkprozesse für ihre jeweiligen Kommunen anregen könnten. Auch da bietet „Licht ausmachen“ großes Einsparpotential.
      Sonnigen Gruß
      Johannes

  2. Petra

    Hallo liebe Astrid,
    ich bin sehr beeindruckt von deiner Idee, dein Leben autofrei zu gestalten, besonders bei uns auf dem Land. In einer größeren Stadt ist es mir gelungen, komplett auf mein Auto zu verzichten. Die öffentlichen Verkehrsmittel rund um Lachen- Speyerdorf sind wenig attraktiv gestaltet und schlecht aufeinander abgestimmt.
    Die S- Bahn- Verbindung Ludwigshafen- Mannheim- Heidelberg dagegen ist sehr gelungen, ich nutze diese täglich, um zur Arbeit zu kommen.
    Mein Fahrrad nutze ich innerhalb von Lachen-Speyerdorf recht ungern. Die Autofahrer agieren sehr aggressiv und Straßen sind mit tiefen Kratern übersäht.
    Du hast mich vor kurzem überzeugt, über ein E-Auto nachzudenken und bin gespannt, ob es für mich finanzierbar ist. Viele Grüße Petra

  3. Paul

    Genauso wie der Begriff „Ökostrom“ ist auch die Idee der „Klimaneutralität“ hoch gefährlich. Klimaneutral darf man sich auch dann nennen, wenn man ein Klimaschwein ist und versucht, die eigenen schädlichen Emissionen kommerziell auszugleichen, z.B. durch Bäume pflanzen oder andere Klimaschutz-Projekte. Der nützliche Effekt dieser Projekte ist aber schwer messbar und nachvollziehbar. Manche finden ja am anderen Ende der Welt statt. Auf dem Weltklimagipfel in Glasgow wird außerdem gerade die Gefahr der „Mehrfachzählung“ von Klimaschutz-Projekten im Zusammenhang mit dem Ausgleich von Emissionen diskutiert.

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