SDG Blog #16 – STARKE INSTITUTIONEN

SDG Blog #16 – STARKE INSTITUTIONEN

„Was soll es bringen, wenn ich hier auf’s Rad umsteige und gleichzeitig in China 20 neue Kohlekraftwerke gebaut werden?“ Kennt ihr solche Aussagen oder Gedanken von Menschen in eurem Umfeld, die bezweifeln, dass es auf dem Weg in eine enkeltaugliche Zukunft auch auf sie ankommt? Im Vergleich zur globalen Endlichkeit unserer Ressourcen sieht meine Selbstwirksamkeit vielleicht erstmal klein aus. Aber die Menschen um mich herum, meine Familie, Nachbarn, Arbeitskollegen, beobachten mich. Ich kann mit ihnen darüber sprechen, warum ich kurze Strecken mit dem Rad oder zu Fuß zurücklege, warum ich in eine kleinere Wohnung umziehe oder meinen Schottergarten „entsiegle“. Und wenn ich vielleicht nicht besonders ansteckend bin mit meinem Verhalten, dann übernehme ich zumindest Verantwortung für mein eigenes Tun und Handeln. Ihr seht, das Prinzip Verantwortung ist mir wichtig, und jeder Schritt in die richtige Richtung ist gleich viel wert. Unabhängig von der Reichweite, also unabhängig davon, ob ich als Kind das Elterntaxi zur Schule ablehne oder als CEO eines DAX Unternehmens den Startschuss für die Errichtung einer Recyclinganlage gebe.

Hilfreich beim gemeinsamen Verantwortung-übernehmen sind Institutionen. Denn sie definieren einen einheitlichen Handlungsrahmen, bilden Klammern und verleihen einer Entscheidung oder Maßnahme Gewicht und Schlagkraft. Institutionen schaffen Klarheit für den einzelnen in Bezug auf Familie (Verwandtschaft), Erziehung, Bildung und Ausbildung, Nahrungsbeschaffung, Warenproduktion und Verteilung (Wirtschaft) und für die Aufrechterhaltung einer gesellschaftlichen Ordnung (Recht, Sicherheit, Politik) und Kultur. Klar, um ihre Wirkung zu entfalten, müssen Institutionen beachtet werden ….

Das Ziel #16 der Agenda 2030 betont die Notwendigkeit starker Institutionen, um allen Menschen auf der Welt eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. In den letzten Monaten sind mir bei meinen Recherchen dazu zwei besonders interessante Ideen aufgefallen. Und ich würde sie hier gerne zur Diskussion stellen:

(1) Der Schotte Graeme Maxton, bis vor kurzem Generalsekretär des Club of Rome, findet, wir brauchen für die vor uns liegende Transformation hin zu einer globalen Kreislaufwirtschaft auch eine globale Kraftanstrengung. Dafür müssten sich nach Maxton die einflussreichsten Institutionen der Welt zusammentun. Er stellt sich eine Troika vor aus den deutsch-sprachigen Ländern der EU, die das Thema Nachhaltigkeit schonmal gut durchdacht haben, dem Papst und der Volksrepublik China. Ist es aus eurer Sicht denkbar, dass diese drei Institutionen in Sachen Nachhaltigkeit an einem Strang ziehen?

(2) Ulrike Herrmann, Historikerin, Philosophin und Wirtschafts-Redakteurin der taz, meint, uns fehle es nicht an Visionen und Zielbildern für die Kreislaufwirtschaft, aber an Ideen und volkswirtschaftlichen Überlegungen wie wir von hier dorthin kommen. Vorbild könnte gemäß Herrmann die britische Kriegswirtschaft von 1939 sein, in der der Staat vorübergehend planwirtschaftlich eingreift, also bestimmt was produziert werden muss und wie die Güter fair verteilt werden, um das Land auf Hitlers Angriff vorzubereiten. Was haltet ihr davon? Können wir von der Planwirtschaft lernen, um in Krisenzeiten schnelle Entscheidungen im Sinne der sozio-ökologischen Transformation zu treffen, ohne dabei die Demokratie abzuschaffen?

Super gespannt auf eure Gedanken,

Astrid

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Jochen Wenz

    Hallo Astrid,
    ich stimme Dir zu, dass in der Theorie jeder nicht nur die Probleme, sondern auch Lösungen kennt, die uns ein beachtliches Stück in die richtige Richtung bringen könnten. Wenn Maxton eine solche Troika vorstellt, dann ist doch die Frage, was hindert diese drei Institutionen im Moment daran, sich zusammen zu tun. Wir müssten uns also fragen, wie könnten wir solche einflussreichen Institutionen dazu bewegen, diese Reise zu beginnen. Wie könnte für China Positives dabei heraus springen? Ich erinnere mich an meine Zeit bei Daimler LKW. Wenn man hier ein neues Modell zulassen möchte, entwickelt man dieses so, dass es die Abgasnorm in Kalifornien erfüllt und die Lautstärkeverordnung in Japan. Damit hat man automatisch alle anderen relevanten nationalen Bestimmungen erfüllt. Was hat Kalifornien bewegt, und Japan, etwas derart Strenges aufzustellen. Was könnte man daraus lernen?
    Verantwortung des Einzelnen für sich selbst ist super wichtig, und ohne das wird es nicht gehen. Je mehr diesen Weg derart beschreiten, desto mehr Gewicht durch Masse gibt es. Ich finde Deinen Weg toll und spannend.
    Lieben Gruß und ein tolles 2022
    Jochen

  2. Manuela

    Gute Frage. Warum haben Kalifornien und Japan so hohe Standards in den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit? Vermutlich haben sie gemeinsam, dass die Menschen über einen relativ hohen Lebensstandard verfügen und sich um Bedürfnisse jenseits von Nahrungsbeschaffung & Co. kümmern können. Und andererseits haben die Menschen wahrscheinlich eine gute Vorstellung davon bzw. es erlebt was es heißt, wenn es nicht klappt mit Umweltschutz und Sicherheit: Dürren, Hitze, Waldbrände, Fukushima. Demnach würden auch wir in Deutschland in die Gänge kommen, wenn eine Katastrophe wie die im Ahrtal jedes Jahr und auch mal vor unserer Haustür passiert und die Allgemeinheit jedes Mal 30 Mrd EUR locker machen muss.

  3. Frank

    Also ich finde, dass planwirtschaftliche Elemente – wie von Frau Herrmann angedeutet – kein Tabu sein dürfen. Auf die Dosis kommt es an. Investitionen und Abschreibungsmöglichkeiten müssen ja gelenkt werden

  4. Markus

    In den Texten, liebe Astrid kommt ja einiges zusammen: individuelle Verantwortung, Kreislaufwirtschaft, starke Institutionen, Planwirtschaft – und dann noch ein illustrer, vielleicht Aufmerksamkeit heischender, Pakt aus Deutschsprachlern, China und dem Papst. Ich würde gern verstehen, was zu diesen Kompositionen berechtigt (außer der Freiheit der Kunst).

    Zum Thema Institutionen: Es geht nicht ohne sie; aber wer gestaltet, belebt und fördert sie? Wieweit geht es demokratisch zu, wie weit geführt? Und wer nimmt für sich in Anspruch, „die Wahrheit“ innezuhaben; und wer kontrolliert dies unabhängig? Und wer (welche Institutionen) sind dabei WIRKSAM?

    Die UNO ist es leider nicht, das Parlament in China auch nicht, der Vatikan ebenso, u. v. a.

    Wie wäre es, wir fangen bei uns an? Wir haben in unserer Verfassung in Deutschland starke Institutionen, den Bundestag, die Kommunen; aber auch Verbände und Vereine – hier kann sich jede und jeder engagieren. Die Stärke entsteht durch die Mitwirkung, und die GEMEINSAME Gestaltung der guten Sache, mit kluger Balance der Interessen und der Fähigkeit zum Diskurs.

  5. Beate

    Nachhaltigkeitsziel #16 „Frieden, Freiheit und starke Institutionen“ ist aus meiner Sicht das derzeit meist vernachlässigte und unterschätzte Nachhaltigkeitsziel der Agenda 2030. Da muss erst Krieg sein, damit man Frieden und Freiheit wieder zu schätzen weiß.

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